Podcasts sind mittlerweile Mainstream und ein Millionenbusiness. Immer mehr Unternehmen drängen mit Corporate Podcasts auf den Markt. Für wen sich das Format lohnt, was es zu beachten gilt und welche Trends auf Hörer:innen und Marken zukommen, erklärt Stefan Lassnig, geschäftsführender Gesellschafter von Missing Link im Interview.
HORIZONT: Was sind für Sie aktuell die drei wichtigsten Trends im Podcast-Bereich?
Stefan Lassnig: Der erste Trend ist die Professionalisierung. Es gibt extrem viele Podcasts – wobei ich gelesen habe, dass letztes Jahr die Anzahl der neuen Podcasts auf dem Markt erstmals rückläufig war. Es wird also in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr so viele neue Podcasts geben, jetzt steht Qualität vor Quantität. Dass jeder und jede einfach einen Podcast macht, ist, glaube ich, in absehbarer Zeit vorbei. Die neuen Podcasts aber werden qualitativ hochwertiger sein.
Der zweite Trend geht in eine ähnliche Richtung, nämlich in Richtung Feature-Podcasts und redaktionell gestaltete, aufwendig produzierte Podcasts. Fast hörspielartige Podcasts, die die Hörer:innen richtig reinziehen. So wie „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ Man kennt das vor allem aus Amerika, das schwappt langsam auch in den deutschsprachigen Raum herüber. Es gibt hier in Österreich schon erste Gehversuche wie mit „Inside Austria“ von Der Standard und Spiegel. Diese Produktion ist noch nicht auf dem Level des Ken-Jebsen-Podcasts, aber es geht in Richtung Qualität.
Für welche Unternehmen und Themen ist so ein Format denn geeignet?
Ich würde das nicht am Thema festmachen wollen; jedes Thema ist podcastfähig. Ich würde es also eher an der Bereitschaft aufhängen, sich auf Inhalte und Schwerpunkte einzulassen. Wenn man beispielsweise drauf getrimmt ist, reine Produktwerbung zu machen und man keine Geschichte rund um die Produkte oder das Unternehmen zu erzählen hat, dann ist es besser, man lässt die Hände vom Podcast und macht Produktwerbung oder performancegetriebene Klickwerbung. Ein Podcast hat Erfordernisse: ein redaktionelles Konzept und dementsprechend Inhalte. Es muss die Bereitschaft da sein, diese Inhalte in den Podcast einzuarbeiten oder den Podcast drum herum zu gestalten. Man kann es also nicht an Branchen oder Kundengröße aufhängen. Für ein kleines Unternehmen mit einer sehr spitzen Zielgruppe, die ein spezielles Thema interessiert, kann ein Podcast genauso interessant sein wie für einen großen Kunden wie zum Beispiel Kapsch.
Braucht ein Podcast eine langfristige Strategie mit mehreren Staffeln oder funktionieren auch kampagnenartigen Podcasts mit wenigen Folgen zu einem gezielten Thema oder Ereignis?
Podcasts sind ein Marathon und kein Sprint. Podcast-Communities baut man über einen längeren Zeitraum auf, die sind dann aber sehr loyal. Podcast-Communitys bringen ein bestimmtes Interesse mit und das ist in der Regel nicht ganz kurzfristig. Man könnte kampagnenartige Podcast zum Beispiel saisonal aufstellen, aber ich würde eine langfristige Strategie dahinter empfehlen.
Zu dieser Podcast-Community: Ein Corporate Podcast kann erste Hörer:innen ja ziemlich einfach über beispielsweise Newsletter an bestehende Kund:innen gewinnen. Aber wie erreicht man Hörer:innen darüber hinaus?
Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, die bestehenden Kanäle des Unternehmens wie Newsletter oder Kundenmagazine zu nutzen, um den Podcast anzukündigen. Darüber hinaus funktionieren auch bestimmte Social-Media-Kanäle sehr gut, sowohl Paid als auch organisch. Das muss man sich dann für das einzelne Produkt anschauen. Aber Podcasts und Social Media passen normalerweise ganz gut zusammen.
Es gibt beim Podcast keinen direkten Call to Action. Interaktion erfolgt zumeist über die Shownotes. Wie kann man die Interaktion abseits dessen stärken?
Spotify hat vor Kurzem veröffentlicht, dass sie jetzt Call-to-Action Cards für Podcast-Ads einführen. Das, glaube ich, ist eine gute Art und Weise, dieses Thema anzugehen. Aber ich glaube auch daran, mit Shownotes sehr einfach an eine Kaufgelegenheit zu kommen. Wobei man ohnehin mit CTAs bei Podcasts aufpassen muss. Conversion ist ein Kriterium bei Podcasts, aber nicht das einzige.
Wie kann man einen Podcast und damit die Werbung abseits der Du-Anrede personalisieren? Wenn es das überhaupt braucht.
Ich glaube, dass die Personalisierung bei Podcasts nicht so große Bedeutung hat, weil der Weg, wie man an den Podcast kommt, ohnehin schon ein sehr persönlicher ist: Man interessiert sich für das Thema oder den Host und trifft dann bewusst die Entscheidung, reinzuhören. Es gibt technische Lösungen, die sich verändern werden mit den Daten, die beispielsweise Spotify und Apple sammeln. Aber es ist schon wichtig, dass ein Podcast so gestaltet ist, dass der Host sich direkt an die Hörer:innen wendet. Man ist im Ohr, die Leute widmen einem viel Zeit und eine ihrer Erwartungshaltungen ist, dass man mit ihnen direkt spricht.
Wie steht es hier im deutschsprachigen Raum um Vodcasts, also eine Podcast-Aufnahme, die gefilmt wird, dann auf YouTube zu sehen und als Podcast zu hören ist? Das ist in den USA sehr populär.
Prinzipiell bin ich der Meinung, dass diese beiden Dinge getrennt gehören. Video und Podcast sind verschiedene Dinge, haben verschiedene Anforderungen, auch technischer Natur. Es gibt bereits Kund:innen, die fragen, ob man die Aufnahme nicht direkt als Video aufnehmen kann. Ich antworte dann meistens, dass es zu wenig ist, nur eine Kamera hinzustellen. Man muss viel Arbeit investieren, damit da auch ein gutes Video bei herauskommt. Dann braucht man also nicht nur Podcast-Spezialist:innen, sondern auch Video-Spezialist:innen. Es gibt ja einen Grund, warum es Radio und Fernsehen gibt. Und: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man Unternehmen wie YouTube unterstützen sollte. Denn nur YouTube verdient Geld mit diesen Videos, wenn man nicht zu den ganz großen Accounts gehört. Alle anderen liefern nur Content und YouTube macht damit ein Geschäft. Wenn man bei YouTube kein Premium-Abo hat, muss der Browser geöffnet bleiben, sonst stoppt der Sound. Das sind alles Dinge, die für eine Podcast-App sprechen. Die Hörer:innen auf YouTube können wir nicht vermarkten, und den Content für ein paar Euro im Monat auf YouTube herzuschenken, ich weiß nicht.
Interview aus dem HORIZONT, hier zum Original-Beitrag